In einem Restaurant, in dem er noch nie war, verhält sich der Besucher wie bei jedem bisherigen Restaurantbesuch. Er liest die Speisekarte, bestellt, isst… diese Abfolge von Verhaltensweisen ist erlernt, sie ist ein Schema. In der Psychologie sind Schemata wie eine Sammlung von Wahrnehmungen, Erfahrungen und Informationen über eine bestimmte Situation, die in einer Schachtel gesammelt und hervorgeholt werden, wenn die Situation wieder auftritt. Das Schema steuert also Wahrnehmung und Informationsverarbeitung des Menschen – und somit auch sein Verhalten.

schematherapie-nürnbergDabei gibt es gesunde und ungesunde („maladaptive“) Schemata. Letztere entstehen in der frühen Kindheit durch die Nichterfüllung menschlicher Grundbedürfnisse, aber auch durch die Übererfüllung oder durch traumatische Erfahrungen. Diese Muster werden im Laufe des weiteren Lebens stärker ausgeprägt und beeinträchtigen das alltägliche Leben durch die Verhaltensweisen, die sie hervorrufen. Da der Mensch nach Konsistenz strebt, ist es schwer, erlernte Schemata aus eigener Kraft aufzugeben. Ein Ansatz, der ihm hilft, ist die Schematherapie.

Welche Schemata gibt es?

Der Begründer der Schematherapie, Jeffrey A. Young, erkannte 18 problematische Schemata. Meistens treten bei einem Patienten mehrere davon auf. Sie lassen sich in 5 Schemadomänen gruppieren:

1.      Schemadomäne: Abgetrenntheit und Ablehnung

  • Verlassenheit und Instabilität
  • Misstrauen, Missbrauch und Misshandlung
  • Unzulänglichkeit und Scham
  • Soziale Isolierung und Entfremdung

2.      Schemadomäne: Beeinträchtigung der Autonomie und Leistung

  • Abhängigkeit und Inkompetenz
  • Anfälligkeit für Schädigungen oder Erkrankungen
  • Unentwickeltes Selbst
  • Versagen

3.      Schemadomäne: Beeinträchtigungen im Umgang mit Begrenzungen

  • Anspruchshaltung
  • Unzureichende Selbstdisziplin

4.      Schemadomäne: Fremdbezogenheit

  • Unterwerfung
  • Selbstaufopferung
  • Streben nach Anerkennung und Zustimmung

5.      Schemadomäne: Übertriebe Wachsamkeit und Gehemmtheit

  • Negativität und Pessimismus
  • Überhöhte Standards
  • Bestrafen

Diese Schemata werden bei einer Schematherapie beim Patienten identifiziert. Dabei lernt der Patient zu verstehen, wie es zur Entwicklung seiner jeweiligen Schemata kam. In der therapeutischen Beziehung nimmt der Therapeut zur Auflösung alter Schemata eine Rolle der elterlichen Fürsorge an („Reparenting“), die dem Patienten die Erfüllung seiner Kernbedürfnisse gibt. Durch diese Erlebnis- und Handlungsorientierung kann die Schematherapie verhaltensändernd sein.

Was sind Schemamodi?

Die Schemamodi sind die Schemata, die bei einem Menschen in einem bestimmten Augenblick aktiv sind. Sind sie dysfunktional, dann sind diese Teile des Selbst von anderen Aspekten des selbst abgeschnitten. Bei einem Borderline-Patienten sind beispielsweise so viele Schemata und Bewältigungsreaktionen vorhanden, dass sie nicht mehr überschaubar sind – und sie wechseln ständig. Die 10 Schemamodi lassen sich folgenden 4 Kategorien zuordnen:

1.      Kind-Modi

  • Verletzbares, verlassenes, missbrauchtes oder misshandeltes, zurückgewiesenes Kind
  • Verärgertes Kind (wegen Nichterfüllung seiner Bedürfnisse), das ohne Gedanken an Konsequenzen handelt
  • Impulsives Kind, das rücksichtlos im Sinne seiner Wünsche und Neigungen handelt
  • Glückliches Kind, dessen Bedürfnisse erfüllt sind

2.      Dysfunktionale Bewältigung

  • Bereitwillig Sich-Ergebender, der sich passiv dem Schema unterwirft
  • Überkompensierender, der sich gegen das Schema wehrt und dabei extreme, verletzende Verhaltensweisen an den Tag legt
  • Distanzierter Beschützer, der sich emotional vom Schema löst oder davor flüchtet

3.      Dysfunktionale Eltern-Modi

  • Strafender Elternteil, der den vermeintlich bösen Kind-Modus bestraft
  • Fordernder Elternteil, der das Kind ständig drängt, überhöhten Erwartungen gerecht zu werden

4.      Gesunder Erwachsener

 

Wie beeinflussen Schemata das Verhalten?

Der Mensch braucht Bewältigungsstile, um sich ungesunden Schemata anzupassen. Diese bestimmen, wie er sich unter Einfluss bestimmter Schemata verhält. Es bleibt meistens nicht lebenslang beim gleichen Bewältigungsstil, diese verändern sich im Laufe des Lebens. Young machte drei maladaptive Bewältigungsreaktionen aus:

  • der Mensch fügt sich in sein Schema und lässt sein Verhalten dadurch steuern
  • der Mensch versucht, sich so gegensätzlich wie möglich zum Schema zu verhalten und überkompensiert seine Gefühle durch das Gegenteil
  • der Mensch versucht, das Schema gar nicht erst zu aktivieren, indem er Auslöser vermeidet

Ein sich fügender Mensch wählt beispielsweise immer wieder Partner, die ihn verletzen werden, wie es schon die eigenen Eltern getan haben. Überkompensiert er stattdessen, genügt ihm kein Partner mehr, denn er will Perfektion – um dem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit etwas entgegen zu setzen. Vermeidet er das Schema, unterdrückt er Gefühle komplett oder ertränkt sie in Alkohol in dem Versuch, sie gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wann wird die Schematherapie eingesetzt?

Eine Schematherapie kommt bei vielen Formen problematischer Verhaltensweisen in Frage. Sie wurde erfolgreich zur Behandlung chronischer psychischer Störungen mit charakterologischen Aspekten eingesetzt, darunter Depressionen, Ängste, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen wie die Borderline- oder narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Die Schematherapie deckt auch in der Ehe- oder Lebensberatung auf, warum wir Verhaltensweisen an den Tag legen, die für uns kontraproduktiv sind.

Wie gestaltet sich die Schematherapie?

aleksandr-ledogorov-212542Die Schematherapie unterteilt sich in Phasen.

In der Phase der Einschätzung und Edukation erfährt der Patient, welche Schemata und Modi in seinem Leben dazu führen, dass er unerwünschte Verhaltensweisen immer wieder ausführt und sie nicht ablegen kann. Fragebögen helfen, die maladaptiven Schemata zu erkennen. Der Therapeut erstellt ein Fallkonzept und die Therapieziele werden beschlossen.

Die zweite Phase ist die Phase der Veränderung. Es kommen fünf Interventionsprinzipien zum Einsatz, mit deren Hilfe das unerwünschte Verhalten überwunden werden kann. Diese sind die Einschätzung über Schemata, kognitive und erlebnisbasierte Interventionen, Unterbrechung maladaptiver Schemata und auch die Beziehung zwischen Therapeut und Patient. Der Patient lernt, eine innere Distanz zu seinen bisherigen Verhaltensweisen herzustellen, die ihn davor bewahrt, immer wieder in sie zurückzufallen. Er kann sein Verhalten aus sicherer Entfernung beobachten. Anschließend kann er sich so verhalten, wie er es lieber tun würde.